Vokalensemble „amarcord“ in der Klosterkirche Flechtdorf
Wenn „amarcord“ zum Konzert einlädt darf man viel erwarten. Am Tag des offenen Denkmals, Sonntag, 10. September 2023 konnten die 5 singenden Herren aus Leipzig die Erwartungen der vollbesetzten Klosterkirche noch um einiges übertreffen.
Auf dem Programm: Ein mutiger Ritt durch über 400 Jahre europäischer Musikgeschichte. Die erste Station galt der englischen Vokalrenaissance. Das durchsichtige Stimmgewebe mit den je nach Situation aus den einzelnen Stimmen oder gemeinsam gestalteten Höhepunkten konnte „amarcord“ durch die helle, schlanke Stimmgebung hörbar machen. So wurde diese harmonisch eher reizarme Musik von Meistern aus dem 16. und beginnenden 17. Jahrhundert wie Thomas Tallis, William Byrd und Orlando Gibbons lebendig und ergreifend. Bestechend hier und im ganzen Konzertverlauf die Sauberkeit der Intonation und die Textverständlichkeit des Vortrages.
Zum zweiten inhaltlichen Teil des Abends mit Musik von Romantik und dem nachromantischen Neoklassizismus von „les six“ gelang bruchlos die Umstellung auf den gänzlich anderen Gesangsstil. Gioachino Rossinis „Prière“ („Gebet“) behielt trotz der anspruchsvollen harmonischen Wendungen seinen schlichten Ausdruck. In den „Laudes“ von Francis Poulenc und dem 121. Psalm in der Vertonung Darius Milhauds wurden die Kontraste zwischen einstimmigen, fast gregorianisch anmutenden Passagen und den plötzlich eintretenden harten Dissonanzen bis hin zu bitonalen Tongebilden scheinbar mühelos von den Sängern bewältigt. Besonders beeindruckend in diesen Stücken war die Fähigkeit des Ensembles, durch unterschiedliche Stimmgebung fast den Eindruck sich abwechselnder Gruppen eines Orchesters zu erwecken, ohne dass dies den Fluss des Stückes zerrissen hätte.
Nach einer Pause ging es weiter mit der Vertonung einiger Gedichte von Maurice Boucher durch den eher unbekannten Fin-de-Siècle Komponisten Jean Cras. Den vielen Gefühls- und Bilderwechseln der fast schon impressionistischen Textvorlage gingen dabei Komponist und Sänger genau nach.
Nächster musikalischer Wechsel – nun hin zum amerikanischen Gospel. Hier gaben die a-cappella-Arrangements von „Steal away“, „Swing low, sweet chariot“ und „Deep River“ jeder Stimme von Countertenor (Wolfram Lattke) über Tenor (Robert Pohlers – teilweise ebenfalls Countertenor), über Bariton (Frank Ozimek) bis Bass (Daniel Knauft und Holger Krause) die Gelegenheit mit Soloeinlagen zu glänzen. Die Bassstimmen hatten dabei teilweise noch mit Beatbox-Einlagen das Schlagzeug zu ersetzen.
Als letzter Haltepunkt im regulären Programmablauf gab es drei launig arrangierte Volkslieder. „Es klapperdiklipperdiklappert die Mühle am rauschenden Bach“ ließ sich kaum so schnell hören wie es gesprochen werden musste – das schwedische Lied von der Angebeteten, die sich am Ende doch nicht bezirzen lässt, hatte Comedy-Qualitäten, und beim abschließenden Lied aus Uganda durfte das ganze Publikum noch mitsingen.
Als Zugaben konnte sich das begeisterte Publikum noch eine wunderbar lässig groovende Fassung von Cole Porters „Let’s do it“ und Friedrichs Silchers „Morgen muss ich fort von hier“ erklatschen.
Wäre es nach den Zuhörern gegangen, wäre hier noch nicht Schluss gewesen.
Stefan Kammerer