Gerangel um Schätze im Gotteshaus09.10.2007

Zukunft mittelalterlicher Schätze in Flechtdorf weiter ungewiss.

Zukunft mittelalterlicher Schätze in Flechtdorf weiter ungewiss

DIEMELSEE - FLECHTDORF (nv). Mittelalterliche Schätze wie der steinerne Lettner hinter dem Altar (unser Bild) kamen bei der Sanierung der Flechtdorfer Klosterkirche zu Tage. Obwohl der Paderborner Mittelalterarchäologe Prof. Dr. Matthias Wemhoff (links) die steinerne Barriere, die einst Gemeinde- und Mönchskirche trennte, bereits im Dezember als „Rarität" einstufte, ist die Zukunft der Funde weiterhin ungewiss. Karl Baus, Vorsitzender des Diemelseer Geschichtsvereins (2. v. I.), fürchtet, dass sie mit Beginn der Putzarbeiten in der nächsten Woche wieder verschwinden. Laut Landeskirchenbaudirektor Michael Frede entscheiden die Waldeckische Landesstiftung als Eigentümerin, die Denkmalpflege und die Landeskirche erst am 30. August über die weitere Sanierung. (Foto: Archiv/nv)


 

 

Die 800 Jahre alte Flechtdorfer Basilika wird seit Frühjahr 2006 saniert, da Feuchtigkeit dem alten Gemäuer seit Jahren zu schaffen macht. Spätestens zu Weihnachten sollen die Arbeite abgeschlossen sein. Der mittelalterliche Lettner hinter dem Altar kam zum Vorschein, als der weiße Zementputz abgeschlagen wurde. Prof. Dr. Matthias Wemhoff aus Paderborn würde hier gern weiterforschen.Unter dem Putz der Südwand wurden Türöffnungen entdeckt. Sie führten direkt in den Westflügel des Klosters (Fotos: nv)

Gerangel um Schätze im Gotteshaus

Von NatalieVolkenrath

 


 


DIEMELSEE-FLECHTDORF. Wer einen Schatz findet, kann sein Glück meist nicht fassen. Die Schätze mittelalterlicher Baukunst, die unter dem Wandputz der Flechtdorfer Klosterkirche versteckt waren und bei der Sanierung entdeckt wurden (siehe weitere Texte), sorgen jedoch eher für Gerangel als für Glücksgefühle. Karl Baus, Vorsitzender des Diemelseer Geschichtsvereins, befürchtet, dass die bedeutenden Funde in Kürze erneut unter einer Putzschicht verschwinden. „Die kritischen Flächen werden nicht zugeputzt", gibt Diplom-Ingenieur Joachim Kepplin (Korbach) vom zuständigen Planungsbüro Entwarnung. „Bei einem Gespräch am 30. August entscheiden alle Beteiligten, wie es weitergeht."

Diskutiert wird in Flechtdorf, seit Prof. Dr. Matthias Wemhoff, Mittelalterarchäologe an der Universität Paderborn, bei seinem Besuch im Dezember den Sanierungsstopp forderte. Die Mitglieder des Fördervereins Kloster Flechtdorf, die im Anschluss an die wissenschaftliche Exkursion zum Informationsgespräch eingeladen hatten, schlossen sich an. Vielmehr noch: Die Mitglieder um Vorsitzenden Helmut Walter boten sogar (finanzielle) Unterstützung an. „Konventsgebäude und Kloster sind seit den Sechzigerjahren zwar eigentumsrechtlich getrennt, gehörten aber zusammen."

Experten Zeit gewähren

Hilfe signalisierte auch Wemhoff, der gern in Flechtdorf forschen würde. „Wenn die Dinge so bleiben, wie sie sind, kostet das nicht mehr", hob auch der Briloner Architekt Eckhard Lohmann, der die Restaurierung des Klosters im benachbarten Bredelar betreut, hervor. Die Geldgeber sollten den Experten daher die nötige Zeit geben, um mit gleichen Kosten ein besseres Ergebnis zu erzielen, appellierte er an die Waldeckische Landesstiftung als Eigentümerin, die Landeskirche sowie die Denkmalpflege. Sie teilen sich die veranschlagten Sanierungskosten von rund 430000 Euro. 10000 Euro bringt die Kirchengemeinde auf.

„Mir geht das hier alles zu schnell", kritisierte seinerzeit auch Pater Michael Hermes, Benediktinermönch in der Abtei Königsmünster. „Ich fühle mich als Mitbruder der Flechtdorfer Mönche", begründete der Geistliche die Unterstützung Wemhoffs. Baus befürchtet nun, dass gerade diese Zeit knapp werden könnte. „In der nächsten Woche soll mit den Putzarbeiten begonnen werden", wundert sich der Theologe und Experte für Kirchengeschichte über die plötzliche Eile. Als die Landesstiftung am 24. Mai ihr baugeschichtliches Gutachten vorgestellt hatte, war zwar noch nicht entschieden, ob die Funde berücksichtigt werden, „aber ich hatte den Eindruck, dass man uns entgegenkommt".

Geschichte nicht „entsorgen"

„Nun soll alles, was aufgetaucht ist, wieder zugemacht werden", kritisiert Baus. Selbst wenn ein Spezialputz zum Einsatz komme, seien nur noch die Konturen sichtbar. Die Archäologie falle komplett unter den Tisch, wenn erst einmal wieder alles verputzt sei. „Bezirkskonservator Dr. Bernhard Buchstab hat uns geraten, alles zu fotografieren und die Funde so in der Kirche zu dokumentieren."

„Das größte Problem ist aber, dass wir nichts Genaues wissen, kein Konzept kennen." Eine Resolution des Geschichtsvereins schließt Baus daher nicht aus. „Ich bin dagegen, auf diese Art und Weise Kultur und Geschichte zu entsorgen."

Während Dr. Buchstab sich derzeit im Urlaub befindet, bezogen ein Vertreter der Landesstiftung sowie Landeskirchenbaudirektor Michael Frede gestern auf WLZ-Nachfrage Stellung: „Wir wissen um den Wunsch des Fördervereins, Teile der Wände offen zu lassen, um die Restbausubstanz des Mittelalters und den früheren Durchgang zum Kloster zu zeigen", heißt es aus dem Kreishaus. Grundsätzlich habe die Stiftung nichts dagegen, „aber wir folgen der Ansicht der Fachleute von Denkmalpflege und Landeskirche".

Öffnungen „ablesbar" machen

„Wir folgen dem Wunsch des Kirchenvorstands und haben uns darauf verständigt, dass Durchgänge und Fensteröffnungen ablesbar bleiben", berichtet Frede. Sie würden also nicht wieder verputzt. „Die Altarwand mit dem Lettner ist wirklich eine Spezialität", betont der Diplom-Ingenieur. Ein Restaurator habe sie daher untersucht. „Wir wollen die Ergebnisse abwarten und werden bei einem neuerlichen Ortstermin eine endgültige Entscheidung über die Altarwand treffen." Auch über Wemhoffs Angebot sei noch nicht das letzte Wort gesprochen. „Ebenso wie die Landeskirche haben wir den ausdrücklichen Wunsch, den Interessen des Kirchenvorstands so weit wie möglich Rechnung zu tragen", kündigt Kepplin einen gemeinsamen Gesprächstermin aller Beteiligten für den 30. August an.

Kein Geld für Grabungen

„Dr. Buchstab hat uns mitgeteilt, dass keine Mittel für Grabungen bereitstehen", erläutert Karl-Friedrich Lamm als Vertreter des Kirchenvorstands. Darüber hinaus müssten die Mittel für die Sanierung bis Jahresende verbraucht sein, um nicht zu verfallen. „Denkmalpflege, Landesstiftung und Landeskirche zahlen die Sanierung und geben daher den Ausschlag. Wir dürfen die Kirche nutzen", verweist er noch einmal auf die spezielle Eigentumssituation in Flechtdorf. „Mit der Entscheidung müssen wir daher zufrieden sein", ist er pragmatisch.

Lamm hält die geplante Lösung - die Strukturen des Lettners und der Türöffnungen bleiben sichtbar - aber auch für einen akzeptablen Kompromiss: Die Sanierung habe im Ort schon für genug Wirbel gesorgt. „Bei den Kirchenvorstandswahlen wollen vier von sechs Personen nicht mehr antreten, weil sie keine Lust mehr auf die Diskussionen haben", hofft er, dass bald wieder Ruhe in Flechtdorf einkehrt und alle gemeinsam das Weihnachtsfest in der Kirche feiern können. „Wir leben heute und da sind Kirche und Kloster nun einmal getrennt. "

Kloster und Kirche verbinden

Eine Lagerbildung hat auch Ortsvorsteher Jürgen Albrecht in den vergangenen Monaten beobachtet. „Einigen ist es egal, wie es weitergeht, andere möchten die Verbindungen zum Kloster erhalten", stellt er fest. Er selbst ist der Ansicht, dass Kloster und Kirche immer verbunden waren und sein werden. „Es wäre schade, wenn die verbindenden Elemente schnell wieder zugemacht würden, und gerade der Drache hoch oben an der Südwand macht jetzt doch erst Sinn, wo wir darunter eine Öffnung gefunden haben", ergänzt Albrecht, der ebenfalls im Vorstand des Fördervereins aktiv ist. „Derzeit wäre es noch ohne Mehrkosten möglich, die verbindenden Öffnungen zu erhalten", hofft der Flechtdorfer auf einen schnellen Entschluss. „Die Tendenz geht dahin, die Architekturteile des Lettners erlebbar zu machen", blickt Frede voraus.

Landrat will alten Altar zurück

Während sich alle Beteiligten bis zur Entscheidung am 30. August also noch etwas gedulden müssen, ist an einem weiteren zentralen Punkt der Kirchengestaltung - Form und Standpunkt des Altars - wohl nicht mehr zu rütteln. „Wir haben in Absprache mit dem Kirchenvorstand angefragt, ob ein anderer Altar möglich ist, der die Sicht auf den Lettner nicht versperrt", berichtet Frede. Landrat Helmut Eichenlaub als Verwalter der Landesstiftung habe dies jedoch abgelehnt.

„Der Landrat hat entschieden, dass der 1907 vom Fürstenhaus gestiftete Altar wieder aufgestellt wird, da er inzwischen selbst Teil der Kirchengeschichte ist", bestätigt der Sprecher der Landesstiftung Eichlaubs Entscheidung. Allerdings könne der Altar modifiziert werden. „Das Fundament ist bereits gegossen. Er wird wie gewünscht tiefer und weiter nach vorn gesetzt, um mehr Platz zu schaffen, und auch den Standort für das Taufbecken haben wir wie besprochen verändert", ergänzt der Landeskirchenbaudirektor. Über den hohen Aufsatz werde ebenfalls noch einmal gesprochen, verspricht Frede.

Wie sich die Fachbehörden am 30. August auch entscheiden, in Zukunft sollten sie die Bevölkerung einfach noch besser über ihre Pläne informieren - denn gerade Unwissenheit lässt viel Raum für Spekulationen und Gerangel. Gerade ein Schatz wie der in der Flechtdorfer Basilika sollte jedoch Glücksgefühle wecken, sollte verbinden und nicht zerreißen.

Der steinerne Lettner - für Experten eine Rarität - trennte einst Mönchs- und Gemeindekirche. Der alte Altar wird davor wieder aufgestellt. Das Fundament ist bereits gegossen.

 


 


STICHWORT
Sanierung

(nv). „Die Kirche wurde in den Siebzigerjahren kaputt saniert", berichte Diplom-Ingenieur Joachim Kepplin (Korbach). Die Bodenplatte aus Beton ließ keine Feuchtigkeit durch, so dass sich diese in Säulen und Mauerwerk hinaufzog. „Der Zementputz an den Wänden schloss die Feuchtigkeit dann hermetisch ein." Salze und Schimmelpilze machten dem imposanten Bauwerk mit der im Landkreis einzigartigen Doppelturmfassade im Laufe der Jahre immer mehr zu schaffen.

Der feuchte Feind erzwang im Frühjahr 2006 schließlich die Schließung der Kirche, die spätestens zu Weihnachten wieder geöffnet sein soll. Schotterbett und Sandsteinplatten haben den Beton bereits ersetzt. Der Holzboden mit Elektroheizung, auf dem in Zukunft die Bänke stehen, folgt in Kürze. Ebenso der Einbau einer zusätzlichen Strahlerheizung. Kalkmörtel - laut Kepplin ein weiches und atmungsaktives Material, das auch im Mittelalter zum Einsatz kam - wird die Wände schützen. Die Arbeiten sollen in der nächsten Woche beginnen. „Bisher haben wir nur verfugt."

HINTERGRUND
Schatzkammer

(nv). „Jetzt, wo der Putz von den Wänden ist, ist der ursprüngliche Zusammenhang der Klosteranlage wieder erlebbar", schwärmte Prof. Dr. Matthias Wemhoff, Mittelalterarchäologe an der Univeristät Paderborn und Direktor des Museums für Klosterkultur in Dalheim, als er im Dezember die rund 800 Jahre alte Flechtdorf er Klosterkirche besuchte. Der Fachmann stieß in der Basilika auf Bauteile aus der Zeit um das Jahr 1200: einen Lettner rechts neben dem Altar sowie zugemauerte Türöffnungen an der Südwand, die im Mittelalter in den Westflügel des Klosters führten. Das Drachenrelief hoch über dem Boden, dessen Bedeutung lange unklar war, steht über einer dieser Öffnungen.

Angetan hat es Wemhoff aber vor allem der Lettner: Die steinerne Barriere, die Altarraum und Kirchenschiff teilt, ist „ein typisches Zeugnis für eine Klosterkirche und nur noch in wenigen Kirchen erhalten". Sie trennte Mönchs- und Gemeindekirche, hatte jedoch ein Portal zum östlichen Teil der Kloster anläge. „Der Lettner ist ein zentrales Bauelement und eine Rarität, die besonderes Vorgehen verlangt." Er dürfe keinesfalls wieder zugebaut werden, forderte der Archäologe den Sanierungsstopp, bis alles genau untersucht ist. Wemhoff vermutet unter dem mittleren Bogen im Altarraum zudem den alten Kreuzaltar der Gemeinde-kirche. Beim Kratzen zwischen den Steinen kamen bereits Ansätze eines bemalten Gewölbes ans Tageslicht.

 


 

Quelle: WLZ vom 1. August 2007