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Leben dem Dienste Gottes und dem Kloster weihen02.07.2008
Flechtdorfer Klostergeschichte(n): Von den ersten spätantiken Gemeinschaften bis zur Gründung in "Fliathorpe"
Vortrag von Dr. Jürgen Römer am 1. Klostertag

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Freitag, 13. Juni 2008
Flechtdorfer Klostergeschichte(n): Von den ersten spätantiken Gemeinschaften bis zur Gründung in „Fliathorpe" Leben dem Dienst Gottes und dem Kloster weihen
Von Dr. Jürgen Römer

DIMELSEE-FLECHTDORF.

Das einstige Kloster der Benediktiner in Flechtdorf ist das älteste und bedeutendste Waldecks, die Kirche zählt zu den herausragenden Kulturdenkmälern im Kreis. Klostergeschichte(n) erzählt der folgende Beitrag. Hinweise zur Entstehung und Ausbreitung des Klosterwesens seit frühchristlicher Zeit ermöglichen eine Einordnung Flechtdorfs in die große Geschichte.

Im Vorderen Orient und in Nordafrika, besonders in Ägypten, entwickelten sich in der Spätantike Formen religiösen Lebens, die stark auf Askese ausgerichtet waren, das heißt auf die Abkehr von der Welt. Zunächst stand dabei eine eremitische Form einzelner Gottessucher im Mittelpunkt. Kennzeichnend für die Weitergabe und Verbreitung waren dabei Lehrer-Schüler-Verhältnisse.

An einzelnen Orten entstanden aber bereits komplexere Institutionen, in denen Laien in größerer Zahl zusammenlebten, ohne dabei festen Regeln zu folgen. Die Schriften des Kirchenvaters Augustinus enthielten schon eine Art Regeln für das Gemeinschaftsleben, sie wurden zum Teil schon damals zum Maßstab genommen. Die so genannten Augustiner-Chorfrauen richteten viele Jahrhunderte spater ihre Lebensweise nach der Regel des Augustinus aus. Sie waren in Waldeck mit den Klöstern Arolsen, Berich, Höhnscheid und Volkhardinghausen vertreten.

Klosterleben in Europa

Im 5. Jahrhunderts entwickelten sich erste klösterliche Gemeinschaften auf europäischem Boden. Nachdem sich die Franken nach der Einigung durch König Chlodwig I. im Jahre 496 zum katholischen Glauben bekannten, verbreitete sich das klösterliche Leben im Frankenreich in nördlicher und östlicher Richtung. Während dort die Bindung an Rom nur schwach war und die alten Bistümer bei der Christianisierung eine herausragende Rolle spielten, entstand auf den britischen Inseln ein stark klösterlich geprägtes Christentum zum Teil keltischer, zum Teil germanisch-römischer Prägung mit engeren Kontakten nach Rom.

Aus den im Verlauf des 6. und 7. Jahrhunderts aufblühenden insularen Klöstern gingen immer wieder Missionare und Wallfahrer mit Ziel Rom auf den Kontinent. In Italien entstand um die Mitte des 6. Jahrhunderts die Regel des später heiliggesprochenen Benedikt von Nursia, die für das Klosterleben bis heute von größter Bedeutung ist. Von Benedikts Kloster Monte Cassino aus verbreitete sie sich, vor allem unter irisch-angelsächsischem Einfluss, in ganz Europa, so auch in Flechtdorf.

Unter dem Frankenkönig Karl „dem Großen" entstanden um das Jahr 800 zur Erschließung und Missionierung des frühmittelalterlichen Sachsen neue Bistümer, darunter Paderborn, Minden und Münster. Noch in diese Zeit fallen die ersten Klostergründungen auf sächsischem Boden: Herford und Corvey etwa, um nur zwei zu nennen. Die Mission war für Karl und seine Nachfolger untrennbar mit der politisch-militärischen Eingliederung Sachsens ins Frankenreich verbunden. Der König oder Kaiser hatte nahezu uneingeschränkte Gewalt über die Kirche, was auf der germanischen Vorstellung des „Eigenkirchenwesens" beruhte: Ein Grundherr kann jederzeit auf seinem Boden eine Kirche oder ein Kloster gründen und mit Besitzungen und Einkünften ausstatten. Dazu bedarf er der bischöflichen Einwilligung nicht.

Adelige Klostergründer

Zunächst betätigten sich die Könige als Gründer, bald folgte ihnen der Adel. Die Klöster hatten - neben der Aufgabe der wirtschaftlichen und kulturellen Erschließung - die Funktion, für das Heil des Stifters und seiner Familie tätig zu sein, indem die „Memoria" des Gründers gepflegt wurde und seiner im Gebet gedacht wurde. Der Begriff der „Memoria" ist schillernd, in heutigen Worten ließe sich von ehrendem und fürbittendem Angedenken sprechen.

Durch Schenkungen kamen viele Klöster und Stifte zu bedeutendem Besitz, für dessen weltliche Verwaltung das Amt des advocatus, also des Vogtes, geschaffen wurde - den geistlichen Angehörigen einer solchen Institution war nicht erlaubt, weltliche Herrschafts- und Gerichtsfunktionen auszuführen. Nicht selten entwickelte sich in späteren Zeiten eine mächtige Position der Vögte, die durchaus im Gegensatz zu den Interessen des Abtes und des Klosters stehen konnte.

Viele Klöster, vor allem die Gründungen der Könige, waren sehr daran interessiert, aus der Macht des jeweiligen Bischofs herausgenommen zu werden, was ihnen entweder schon im Gründungsprivileg, einer Urkunde, oder bald danach zugestanden wurde. Häufig bestätigte auch der Papst die Rechte und Erneuerungen durch die Könige. Dies war von Wichtigkeit, weil die Klöster in Auseinandersetzungen mit benachbarten adeligen Kriegern deren Waffengewalt nichts Entsprechendes entgegenzusetzen hatten. Aus diesem Grund wurden solche Rechtsansprüche oft auch nachträglich gefälscht.

Stifte und Klöster befolgten mehr oder minder getreu die Benedikts- oder die Augustinusregel und zeichneten sich durch verschiedene Abstufungen des Gemeinschaftslebens aus. Kennzeichnend in der frühen Zeit ist die stärkere Bedeutung des gemeinsamen Betens und Arbeitens, das durch die Regel genau gesteuert wurde mit festgelegten Zeiten des Gebetes, des Gottesdienstes, der Arbeit, des Essens und Schlafens. Gegessen wurde gemeinsam im Refektorium, geschlafen gemeinsam im Dormitorium - die bekannten Mönchszellen entstanden erst im Spätmittelalter. Als ein in späterer Zeit allgemein verbreiteter Unterschied zwischen Kloster und Stift muss das persönliche Gelübde angesehen werden. Ein Klosterinsasse schwor dem weltlichen Dasein vollkommen ab und weihte sein ganzes Leben dem Dienst Gottes und dem Kloster, während die Angehörigen eines Stiftes diese Institution wieder verlassen und beispielsweise heiraten konnten.

Die Mönche in Flechtdorf verpflichteten sich mit einem Eid zu Gehorsam, Keuschheit und Ortstreue. Im Laufe des 10. Jahrhunderts verbreitete sich von den Klöstern Gorze in Lothringen und vor allem Cluny in Burgund aus eine innerkirchhche Reformbewegung. Es ging in erster Linie um die Zurückdrängung weltlicher Ansprüche über die Klöster und um strengere Einhaltung der Benediktsregel. Der Anteil von Gebet und Gottesdienst am Tagesablauf wurde wesentlich erhöht. Cluny wurde zum spirituellen Zentrum, in dem jährlich ein Generalkapitel aller von dort aus gegründeten oder reformierten Klöster stattfand.

In Deutschland war es vor allem das Kloster Hirsau bei Calw im Schwarzwald, das für die Verbreitung der Reformideen von Bedeutung war. Zu deren Idealen gehören eine direkte Unterstellung der Klöster unter den Papst, die Durchsetzung des Zölibats, die Abschaffung des Ämterkaufs in der Kirche und die Beseitigung der Laieninvestitur. Dies wurde auch von den Königen aufgegriffen, vor allem Heinrich III. förderte die Reform um die Mitte des 11. Jahrhunderts sehr.

Von großer Bedeutung sind die Klöster auch für die Kultur- und Geistesgeschichte Europas gewesen. Sie waren Zentren der Bildung, besaßen oft ein „Skriptorium", in dem Handschriften geschrieben und illuminiert wurden und in dem Urkunden und Verwaltungsschriftgut entstanden. Sie bewahrten in ihren Archiven und Bibliotheken das Wissen früherer Zeiten auf und kümmerten sich auch um die Überlieferung, Übersetzung und Verbreitung antiker und theologischer Texte.

Aus religiösen Ursprüngen, den Klosterschulen, gingen die ersten Universitäten Europas wie Bologna, Paris, Cambridge und Oxford hervor. Auch die europäische Kunstgeschichte verdankt den Klöstern viel: Die Architektur, vor allem der Klosterkirchen, aber auch Kunstzweige wie Musik, Malerei, Bildhauerei und Goldschmiedekunst erreichten in den Klöstern ihre höchste Blüte.

Wissen weitergegeben

Daneben vermittelten die Klöster die Entdeckung und Verbreitung zahlreicher Techniken und Kenntnisse wie etwa im Wasserbau, der Landwirtschaft, dem Rechnungs- und Verwaltungswesen, der Metallverarbeitung und auf vielen anderen Gebieten. Dies gilt in einem gewissen Maße auch für die waldeckischen Klöster und Stifte. In die genannte Reformbewegung gehört auch das Kloster Flechtdorf, das den Reigen der Klostergründungen in Waldeck eröffnete.

Im Jahre 1101 gründete Graf Erpo von Padberg ein Benediktinerkloster auf dem Eigengut in Boke in Westfalen, das Erpos Frau Beatrix mit in die Ehe gebracht hatte. Über den Gründungsvorgang unterrichten die Bestätigungsurkunde des Paderborner Bischofs Heinrich von Werl von 1101 und eine Urkunde Graf Erpos von 1104. Beide Urkunden sind heute nur noch in Abschriften überliefert. Als nach Beatrix' Tod deren Verwandte, die Grafen von Nidda, Anspruch auf Boke und damit auch auf das neu gegründete Kloster erhoben, wurde es in das um 830 als „Fliathorpe" erstmals erwähnte Dorf Flechtdorf verlegt.

Das genaue Datum des Umzugs ist nicht bekannt, doch ist anzunehmen, dass er nicht vor 1113, dem Todesjahr Graf Erpos, stattfand und 1120 vollzogen war. Der erste Flechtdorfer Abt, Friedrich, sowie der Gründungskonvent kamen aus dem Kloster Abdinghof in Paderborn, wohin Flechtdorf auch später noch enge Beziehungen unterhielt.

Quelle: WLZ 13. Juni 2008

 

 

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