Wie alt ist eigentlich der betagteste Stein im Flechtdorfer Kloster? Und wie hatten sich die katholischen Ordensbrüder der vergangenen Jahrhunderte ihr Gebäude gedacht? Mit vielen Fragen waren Geschichtsfreunde aus dem ganzen Landkreis gestern Nachmittag nach Flechtdorf gekommen.
IBD-Experte stellt das Ergebnis der baugeschichtlichen Untersuchungen im Kloster Flechtdorf vor
DIEMELSEE - FLECHTDORF (resa). Wie alt ist eigentlich der betagteste Stein im Flechtdorfer Kloster? Und wie hatten sich die katholischen Ordensbrüder der vergangenen Jahrhunderte ihr Gebäude gedacht? Mit vielen Fragen waren Geschichtsfreunde aus dem ganzen Landkreis gestern Nachmittag nach Flechtdorf gekommen. Hier stellte Elmar Altwasser die Ergebnisse der baugeschichtlichen Untersuchung vor.
Sie hatten geklopft und gebohrt, gegrübelt und geforscht: Die Experten vom Institut für Bauforschung und Dokumentation (IBD) aus Marburg machten sich bereits im vergangenen Herbst auf die Suche nach Spuren der Geschichte. Zum ersten Mal nahmen die Spezialisten das Gemäuer des Flechtdorfer Klosters genauer unter die Lupe. „Schließlich können wir nur im Wissen um die Vergangenheit sinnvoll Zukunft gestalten", hatte Helmut Walter, Vorsitzender des Fördervereins, erklärt.
Die Spannung vor der offiziellen Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse war deshalb gestern Nachmittag im Flechtdorfer Dorfgemeinschaftshaus greifbar. Ob nun die vielen Mitglieder des Fördervereins, die Bezirksvorsitzenden des Waldeckischen Geschichtsvereins und ihr Vorsitzender Dr. Günter Welteke oder auch das Pfarrerehepaar Frank, manch ein Politiker und Anwohner: Viele Interessierte waren in die kleine Diemelseer Ortschaft gekommen, um sich gemeinsam auf eine spannende Zeitreise zu machen. „Die ältesten Steine des Klausurgebäudes stammen aus der Zeit um 1130", erklärte Altwasser gestern und deckte manch ein Geheimnis der vergangenen Jahrhunderte auf. „Wir hatten nicht damit gerechnet, dass so große Teile des Gebäudes eine romanische Handschrift tragen", reflektierte Helmut Walter den Vortrag des Fachmanns. Vielmehr sei man von überwiegend spätmittelalterlichen Materialien ausgegangen.
„Jetzt wird uns noch mal bewusst, was unser Kloster für eine Seltenheit ist", so Walter. 1000 Quadratmeter Klosterwand hatten die IBD-Experten in den vergangenen Monaten untersucht und mithilfe des dendrochronologischen Fingerabdrucks das Fälljahr des verwendeten Holzes festgestellt. Im Mauerwerk wurden Material, Verarbeitungstechnik und Mörtel zur zeitlichen Einordnung herangezogen. Dabei sei man auf fünf romanische Bauphasen getroffen. Neben einigen Spuren des Spätmittelalters, in dessen Epoche die Flechtdorfer einen wesentlich größeren Anteil der Bausubstanz eingeordnet hatten, berichte das Gebäude dann aber vor allem von einem Bauboom im 16. Jahrhundert.
Nach dem 30-jährigen Krieg seien erwartungsgemäß große Restaurationen am Gebäude vorgenommen worden. Während der Untersuchungen sei er auf „ eigenartige und für die Region ungewöhnliche" Mauerwerkstechniken gestoßen, berichtete Altwasser. Die seien wohl vor allem durch die Ausnutzung verschiedener regionaler Steinbrüche zustande gekommen. Viele Fragen seien aber nur dann zu klären, wenn man archäologische Grabungen vornehmen würde.
Auch die Fragen um die ursprüngliche Nutzung der Räume konnte nicht abschließend geklärt werden. Lediglich Küche und Gerichtsstube seien zweifelsfrei bestimmbar. Leidenschaftlich diskutiert wurde schließlich die Frage nach der Wandöffnung an der Verbindungswand zur Kirche. Während der Experte der Vermutung, sie sei eine Tür gewesen, eine Absage erteilte, wollte sich manch ein heimischer Wissenschaftlicher mit dieser Erklärung nur ungern zufrieden geben.
„Jetzt gilt es, die Aufzeichnungen der Experten weiter zu analysieren", erklärte Walter, „ dann können wir weiter über die Zukunft des Flechtdorfer Klosters beraten." Und so bleibt auch weiterhin manch ein Rätsel der Geschichte ungeklärt, die Suche nach Antworten aber hält an.
Quelle: WLZ vom 4. März 2008
Es bleibt geheimnisvoll
Erste Forschungsergebnisse zur Baugeschichte des Klosters Flechtdorf vorgestellt
Von Rudolf Borneuann
FLECHTDORF. Mühsam ist die Spurensuche auf verschütteten Pfaden der Vergangenheit: Die alten Klosteranlagen in Diemelsee-Flechtdorf - neuerdings ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt - sind ein Beispiel dafür. Dass sie viele Überraschungen bergen, zeigen erste Forschungsergebnisse zur Baugeschichte.
Es gibt fast keine Sekundärliteratur, die ein lückenloses Bild über die Entstehungsgeschichte der Klostergebäude vermitteln könnte, bedauerte vor dem Förderverein Elmar Altwasser vom Marburger Institut für Bauforschung und Dokumentation. Vor über 60 Zuhörern sprach der Experte am Montag im Dorfgemeinschaftshaus über die erkennbaren Bauphasen und Nutzungseigenschaften der Flechtdorfer Großanlage. Forschungsgrundlage ist ein Gutachten, das vom Landesamt für Denkmalpflege gemeinsam mit dem örtlichen Förderverein in Auftrag gegeben wurde. Man bewegt sich demzufolge auf „jungfräulichem Boden", wie Elmar Altwasser erklärte.
Allein nahezu 1000 Quadratmeter Fassadenfläche bergen Geheimnisse, ganz zu schweigen von den „noch komplexeren Innenteilen" des Klosters. Unterschiedlichste Steinsorten, die hier verarbeitet wurden, geben einschließlich der Bearbeitungsformen beim „Lesen" der Bauzeugen aus der Vergangenheit noch Rätsel auf. Zunächst dienen Baufugen und Fachwerkteile der Dachgewerke dem komplizierten Versuch einer nachträglichen Kartierung. Skizzenhaft wird so der Einstieg in die Klärung der Klostergeschichte analysiert.
Wegen nachträglicher Reparaturen lassen Großbauphasen im 16. Jahrhundert nur ein verschleiertes Bild der Klostergebäude erkennen, berichtete Altwasser. Das Untergeschoss dürfe nach jüngsten Forschungsergebnissen nicht als Keller, sondern eher als ein „versunkenes Erdgeschoss" betrachtet werden. Frühere meterhohe Aufschüttungen im Hof der Klosteranlage stützen diese Vermutung.
Rechnungen von Zimmerleuten und Weißbindern, Inventare und weitere Überlieferungen aus dem Marburger Archiv sollen mithelfen, die Baugeschichte des Klosters Flechtdorf zu verdeutlichen. Dabei geht es letztendlich auch um die spätere Gebäudenutzung in der nachfolgenden Hospitalzeit.
Der Fachwerkanteil des Flechtdorfer Klosters ist bislang überhaupt noch nicht erkundet. Die in Gang gekommene Rekonstruktion der Gesamtanlage lässt vorerst viele Fragen unbeantwortet. Der Historiker Dr. Karl Baus, Vorsitzender des Geschichtsvereins Diemelsee, bekräftigt am Ende der Diskussionsrunde seine Forderung: „Wir müssen auf dem Klostergelände graben, dann wüssten wir endlich vieles besser."
HINTERGRUND
Jede Menge romanische Bausubstanz
Das Gutachten stützt sich laut Altwasser auf eine ganze Menge romanischer Bausubstanz. Eine „eigenartige, ja ungewöhnliche Mauerwerks-Technik" - auch Speckschichtmauerwerk holländischer Prägung- kennzeichnet die Klostergemäuer aus der Zeit zwischen dem 12. zum 16. Jahrhundert. Über die ursprüngliche Existenz eines Kreuzganges, so viel vorweg, sei noch keine gültige Aussage möglich. Erste Thesen über den Westflügel der Anlage - offensichtlich lange Zeit ungenutzt - müssten ebenfalls näher untersucht werden. (ybr)
Quelle: HNA vom 5. März 2008
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